Die HOAI 2009 sieht keine Regelung für die Vereinbarung eines Zeithonorars mehr vor. Die Regelung des §6 HOAI (a.F.) zu den Stundensätzen wurde ersatzlos gestrichen. An keiner Stelle in der HOAI ist mehr auf eine Vergütung nach Zeitaufwand verwiesen.
Folgende Fragestellungen kommen in diesem Zusammenhang regelmäßig auf:
1. Ist eine Vergütung nach Zeitaufwand auch nach Einführung der HOAI 2009 noch zulässig?
2. Wenn ja, welche Stundensätze sind zu vereinbaren?
1. Zulässigkeit von Stundenhonorarvereinbarungen
Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung (BGH, Urteil vom 17.04.2009, Az: VII ZR 164/07, IBR 2009, 334, IBR 2009, 335) ausdrücklich klargestellt, dass Stundenhonorarvereinbarungen nicht von der HOAI ausdrücklich zugelassen sein müssen. Vielmehr steht es den Vertragsparteien frei, auch abseits solcher Anordnungs- oder Erlaubnistatbestände der HOAI ein Zeithonorar gemäß §4 Abs.1 HOAI (a.F.) wirksam zu vereinbaren (so zu Recht Berger/Fuchs, Einführung in die HOAI, Rdn.141). Die Zeithonorarvereinbarung muss gemäß §7 Abs.1 HOAI jedoch
• schriftlich
• bei Auftragserteilung
• und innerhalb des durch die HOAI 2009 Mindest- und Höchstsatzes liegen.
Immer dann ist auch nach den Regelungen der neuen HOAI eine Vereinbarung eines Stundenhonorars oder auch Pauschalhonorars zulässig (so zu Recht Locher/Koeble, 10. Auflage, §6 Rdn.11; Wietersheim/Korbion, Die neue HOAI, Seite 11). Hierbei ist es zunächst unerheblich, ob mit dieser Vereinbarung von einzelnen Honorarbemessungsgrundlagen abgewichen wird. Nach der amtlichen Begründung wurde die Regelung des §6 HOAI (a.F.) ja gerade deshalb abgeschaffen, um mehr Flexibilität bei der Vertragsgestaltung zu ermöglichen.
2. Angemessene Stundensätze
Nachdem das Preisrecht der HOAI keine Mindest- und Höchstsätze für Zeithonorare mehr vorschreibt, können Architekten und Ingenieure diese nunmehr frei vereinbaren. Mit dieser neugewonnenen Freiheit können jedoch viele Auftraggeber und Auftragnehmer noch nicht richtig umgehen, wie zahllose Anfragen bei mir als Honorarsachverständigen belegen. Manche Auftraggeber folgen auch dem Aufruf Stemmers (stellvertr. Geschäftsführenden Direktor des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, BKPV):
Da das Honorar frei vereinbar ist, kann der Auftraggeber abwarten, welches Honorar ihm der Auftragnehmer vorschlägt und dieses dann mit den Vorschlägen der Konkurrenten vergleichen.
Diesem Vorschlag möchte ich nur nachfolgendes Zitat von John Ruskin (Englischer Sozialreformer, 1819-1900) entgegenhalten:
Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zuviel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen.
Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.Wird keine Vereinbarung über einen Stundensatz getroffen, gilt gemäß §632 BGB die „übliche Vergütung“ als vereinbart anzusehen.
Auch eine pauschale Anhebung der Stundensätze des §6 HOAI (a.F.) um 10% bis 20%, wie von vielen Auftraggebervertretern vorgeschlagen, führt meines Erachtens noch zu keinen auskömmlichen Stundensätzen:
§6 HOAI 1996/2002 | Erhöhung um 10% | Erhöhung um 20 % | ||||
Auftragnehmer | 38 € | 82 € | 42 € | 90 € | 46 € | 98 € |
Ingenieur | 36 € | 59 € | 40 € | 65 € | 43 € | 71 € |
Zeichner | 31 € | 43 € | 34 € | 47 € | 37 € | 52 € |
Zumal die Auftraggeber zunehmend angehalten werden, nur den Mindestsatz zu bezahlen (Stemmer, HOAI 2009, Seite 32):
Aus Sicht der Auftraggeber, insbesondere aus Sicht der öffentlichen Hand, die dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit von Gesetzes wegen verpflichtet ist, bedarf es einer besonderen Begründung, wenn mehr als der Mindestsatz vereinbart werden soll.
Wie die Pflicht der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen nur zum Mindestsatz, aus dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit abgeleitet werden kann, wird nicht weiter erläutert. Besagt doch bereits das o.g. Zitat von Ruskin, dass das billigste Angebot nicht immer das wirtschaftlichste Angebot sein muss. So hat der Verordnungsgeber immer den Mittelsatz als Regelsatz gesehen. Dies wurde so auch vom Deutschen Bundestag festgehalten (Protokoll der Sitzung vom 21. September 1984, www.hoai-gutachter.de/pdf/mittelsatz.pdf).
Der Mittelwert war aber eindeutiger Wille des Gesetzgebers gewesen. Viele öffentliche Auftraggeber gehen aber mehr oder weniger davon aus, dass der Mindestsatz der HOAI der Regelsatz ist.
oder noch deutlicher ...
Der Gesetzgeber will in der Honorarordnung Mindest- und Höchstsätze. Da steht nirgendwo, dass der Mindestsatz der Regelsatz ist.
Und ich sage hier sehr deutlich: jede Gemeinde, jede Oberfinanzdirektion, auch jeder Rechnungshof, der behauptet die Mindestsätze der Honorarordnung seien die Regelsätze, handelt nicht entsprechend dem Gesetz.
Jedem wird einleuchten, dass für einen Architekten oder Ingenieur ein Stundensatz zwischen 40 und 43 Euro (Mindestsatz bei 10 bzw. 20%-iger Erhöhung) keinen auskömmlichen Stundensatz darstellt. Der AHO (www.aho.de/hoai/weg1.php3) hat auf Basis des Bürokostenvergleichs 2008 einen Stundensatzrechner entwickelt. Dieser kommt zu deutlich höheren Stundensätzen. Diese dort ermittelten Stundensätze stellen jedoch nur den erforderlichen Stundensatz dar, der in der Vergangenheit erforderlich war. Mit etwas Einblick in die Situation der Architektur- und Ingenieurbüros wird schnell klar, dass diese Bürokosten nur auf Kosten der Mitarbeitergehälter und den Rücklagen des Büros möglich waren. Zudem zeigt sich bereits jetzt, dass die Hochschulen einen starken Rückgang an Studenten im Bereich Architektur und Bauingenieurwesen verzeichnen. Welchem Abiturienten kann es denn verübelt werden, wenn er sich bei diesen Zukunftschanchen und den zu erwartenden Gehältern für ein anderes Studium entscheidet.
Ein Vergleich mit den Stundensätzen der Rechtsanwälte mach dies deutlich. So hat erst vor kurzem das Oberlandesgericht Celle entschieden (Urteil vom 18.11.2009, Az: 3 U 115/09)
Stundensätze von weniger als 150 Euro dürften nicht mehr angemessen sein; ein Stundensatz von 500 Euro ist nicht per se unangemessen.
Vor diesem Hintergrund sind folgende Stundensätze für Architekten und Ingenieure als angemessen zu betrachten (Simmendinger, HOAI 2009, Seite 29):
Auftragnehmer 100 bis 220 Euro
Mitarbeiter 80 bis 140 Euro
Eine Veröffentlichung von Siegburg (IBR-Aufsatz) kommt in Abhängigkeit von verschiedenen Bewertungskriterien sogar noch zu höheren Stundensätzen.
Dipl. Ing. (FH) Heinz Simmendinger
Sachverständiger für Architekten- und Ingenieurhonorare
www.HOAI-Gutachter.de