Die neue HOAI definiert in §2 erstmals den Gebäudebegriff in der HOAI. Durch diese kleine Ergänzung in der neuen HOAI ändert sich bei der Objektplanung von Hochbauten im Bereich der Wasser- und Abfallwirtschaft jedoch grundlegend die Abrechnungsweise.
HOAI 1996/2002
Für die alte Fassung der HOAI konnte folgende Zuordnung als h.M. angesehen werden1:
• Maschinenhaus einer Kläranlage --> Objektplanung Ingenieurbauwerk
• Maschinenhaus eines Wasserwerks --> Objektplanung Ingenieurbauwerk
• Maschinenhaus einer Abfallbehandlungsanlage --> Objektplanung Ingenieurbauwerk
Aber auch die selbständige Tiefgarage stellte nach der alten Fassung der HOAI unstreitig ein Ingenieurbauwerk dar2.
Hierbei wurde regelmäßig die Planungsanforderungen bzw. die Zweckbestimmung des Bauwerks in den Vordergrund gestellt. Immer dann, wenn das Bauwerk z.B. bei einem Maschinenhaus nur als Umhausung oder Wetterschutz für das eigentliche Ingenieurbauwerk diente, wurde dieses dem Ingenieurbauwerk zugerechnet.
Dies war aber auch dann der Fall, wenn z.B. ein Betriebsgebäude vorwiegend der Unterbringung der Abwasserbehandlung dient. Bei schwierigen Abgrenzungsfällen war auch eine Aufteilung in einen Teil Objektplanung Gebäude nach Teil II (HOAI alt) nach und einen Teil Objektplanung Ingenieurbauwerk nach Teil VII (HOAI alt) denkbar3.
HOAI 2009
In der neuen Fassung der HOAI wurde der Gebäudebegriff zusätzlich in die Begriffsbestimmungen des §2 (HOAI neu) aufgenommen.
§2 Begriffsbestimmungen
Für diese Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
...
2. Gebäude sind selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen;
...
Die amtliche Begründung führt hierzu weiter aus
Die Änderung der Begriffsbestimmung für Objekte wurde an die neue Systematik der HOAI angepasst. Da in der Praxis die Auslegung des Begriffs Gebäude häufig Probleme bereitet hat (zum Beispiel, ob eine Bahnhofsüberdachung ein Gebäude ist), wurde der Begriff anhand der Definition der Musterbauordnung konkretisiert.
Die Frage stellt sich nun also zu Recht, ob Hochbauten bei Anlagen der Wasser- und Abfallwirtschaft nach der Objektplanung Gebäude (HOAI Teil 3, Abschn.1) oder nach der Objektplanung Ingenieurbauwerke (HOAI Teil 3, Abschn. 3) abzurechnen sind.
Zur vollständigen Verwirrung hat der Verordnungsgeber zwar preisrechtlich geregelte Vorschriften der HOAI einer Novellierung unterzogen, bei den Anlagen jedoch unverändert auf die früheren Teile der HOAI zurückgegriffen. So finden sind nun in der Objektliste (Anlage 3 zu §5 Abs.4 Satz 2) für die Ingenieurbauwerke (Punkt 3.4 der Anlage) z.B. Tiefgaragen; Untergrundbahnhöfe; Türme mit Aufbauten, Betriebsgeschoss und Publikumsgeschoss; Offshoreanlagen usw. als Regelbeispiele.
Nach der neuen Definition der Gebäude in der §2 Nr.2 (HOAI neu) fallen diese Bauwerke jedoch eindeutig unter den Gebäudebegriff.
Gebäude sind
• selbstständig benutzbare
• überdeckte bauliche Anlagen,
• die von Menschen betreten werden können
• und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von
- Menschen,
- Tieren oder
- Sachen zu dienen.
In vielen Fällen wird statt einem Ingenieurbauwerk nunmehr ein Gebäude anzunehmen sein, da der Schutz von Sachen für die Einordnung als Gebäude ausreicht4.
Folgen des neu definierten Gebäudebegriffs bei der Objektplanung
In der Folge ergibt eine völlig geänderte Zuordnung von Hochbauten im Bereich der Wasser- und Abfallwirtschaft:
• Maschinenhaus einer Kläranlage --> Objektplanung Gebäude
• Maschinenhaus eines Wasserwerks --> Objektplanung Gebäude
• Maschinenhaus einer Abfallbehandlungsanlage --> Objektplanung Gebäude
• oder auch ein Pumpenhaus --> Objektplanung Gebäude
Aber auch die selbständige Tiefgarage fällt künftig unter die Objektplanung Gebäude und nicht mehr unter die Objektplanung der Ingenieurbauwerke.
Weiterhin als Ingenieurbauwerk sind jedoch folgende Bauwerke einzustufen:
• überdecktes Regenüberlaufbecken oder Regenrückhaltebecken
• Brückenbauwerk mit Kontrollgang
• Begehbarer Abwasserkanal
• Tunnel- oder Stollenbauwerk
Bei diesen Bauwerken handelt es sich zwar jeweils um selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die auch von Menschen betreten werden können. Allerdings sind diese Bauwerke nicht geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
Stellt man die Mindestsatzhonorare für die Objektplanung Ingenieurbauwerke (einschl. der örtlichen Bauüberwachung mit 2,3 v.H.) denen für Gebäude gegenüber, so ergibt sich für kleinere Bauwerke mit 100.000 Euro anrechenbaren Kosten ein um ca. 10% geringeres Honorar. Mit ansteigenden anrechenbaren Kosten steigen jedoch die Honorare für Objektplanung Gebäude stärker an, so dass sich hier nun ein um über 25% höheres Honorar ergibt. Der Schnittpunkt dürfte so bei etwa 2 Mio. Euro anrechenbare Kosten liegen.
Diese Betrachtung gilt jedoch nur für Honorare der örtlichen Bauüberwachung im Rahmen des empfohlenen Mindestsatzes von 2,3 v.H. Bei höheren Honoraren für die örtliche Bauüberwachung verschiebt sich der Schnittpunkt nach oben. Bei Unterschreitung der Empfehlung für die örtliche Bauüberwachung (die amtliche Begründung zu §42 empfiehlt ein Honorar in Höhe von 2,3 bis 3,5 v.H. der anrechenbaren Kosten) führt die Einordnung als Gebäude fast immer zu einem höheren Honorar.
Folgen des neu definierten Gebäudebegriffs bei der Fachplanung Tragwerksplanung
Die HOAI unterscheidet bei der Ermittlung der anrechenbaren Kosten in §48 (HOAI neu) zwischen Gebäuden und Ingenieurbauwerken.
In §48 Abs.1 (HOAI neu) ist die Ermittlung der anrechenbaren Kosten für Gebäude geregelt:
(1) Anrechenbare Kosten sind bei Gebäuden und zugehörigen baulichen Anlagen 55 Prozent der Bauwerk –Baukonstruktionskosten und 10 Prozent der Kosten der Technischen Anlagen.
In §48 Abs.3 und 4 (HOAI neu) ist explizit aufgeführt, welche Kosten bei Ingenieurbauwerken anrechenbar (Abs.3) bzw. nicht anrechenbar (Abs.4) sind.
(3) Anrechenbare Kosten sind bei Ingenieurbauwerken die vollständigen Kosten für:
1. Erdarbeiten,
2. Mauerarbeiten,
3. Beton- und Stahlbetonarbeiten,
4. Naturwerksteinarbeiten,
5. Betonwerksteinarbeiten,
6. Zimmer- und Holzbauarbeiten,
7. Stahlbauarbeiten,
8. Tragwerke und Tragwerksteile aus Stoffen, die anstelle der in den vorgenannten Leistungen enthaltenen Stoffe verwendet werden,
9. Abdichtungsarbeiten,
10. Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten,
11. Klempnerarbeiten,
12. Metallbau- und Schlosserarbeiten für tragende Konstruktionen,
13. Bohrarbeiten, außer Bohrungen zur Baugrunderkundung,
14. Verbauarbeiten für Baugruben,
15. Rammarbeiten,
16. Wasserhaltungsarbeiten, einschließlich der Kosten für Baustelleneinrichtungen. Absatz 4 bleibt unberührt.
(4) Nicht anrechenbar sind bei Anwendung von Absatz 2 oder Absatz 3 die Kosten für:
1. das Herrichten des Baugrundstücks,
2. Oberbodenauftrag,
3. Mehrkosten für außergewöhnliche Ausschachtungsarbeiten,
4. Rohrgräben ohne statischen Nachweis,
5. nichttragendes Mauerwerk, das kleiner als 11,5 Zentimeter ist,
6. Bodenplatten ohne statischen Nachweis,
7. Mehrkosten für Sonderausführungen,
8. Winterbauschutzvorkehrungen und sonstige zusätzliche Maßnahmen für den Winterbau,
9. Naturwerkstein-, Betonwerkstein-, Zimmer- und Holzbau-, Stahlbau- und Klempnerarbeiten, die in Verbindung mit dem Ausbau eines Gebäudes oder Ingenieurbauwerks ausgeführt werden,
10. die Baunebenkosten.
In der Folge ergibt sich bei Bauwerken mit einem hohen Anteil an Technischen Anlagen (KG 400) durch die Einordnung als Gebäude ein höheres Honorar. Bei Wasserwerken, Kläranlagen oder anderen Bauwerken mit einem sehr hohen Anteil an Technischen Anlagen, insbesondere auch der nutzungsspezifischen Anlagen (Kostengruppe 470) wie der Maschinentechnik ergibt sich ein deutliches Mehrhonorar durch die Einordnung als Gebäude.
Folgen des neu definierten Gebäudebegriffs bei der Fachplanung Technische Ausrüstung
Für die Fachplanung Technische Ausrüstung hat die Einordnung als Ingenieurbauwerk oder Gebäude keine besondere Auswirkungen auf die Honorarermittlung.
Ich hoffe mit dieser Ausarbeitung zur Klarstellung beigetragen zu haben, und werde Sie an dieser Stelle wie gewohnt weiter informieren.
Dipl. Ing. (FH) Heinz Simmendinger
Sachverständiger für Architekten- und Ingenieurhonorare
www.HOAI-Gutachter.de