Grenfell-Tower-Desaster in London verdeutlicht die Wichtigkeit der unabhängigen Prüfung
Nach der tragischen Brandkatastrophe im Grenfell Tower in London in der vergangenen Woche rückt die seit mehr als 30 Jahren in Großbritannien von der Politik betriebene, massive staatliche Deregulierung im Bereich der Sicherheit von Bauwerken immer deutlicher in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Es werden Fragen laut, ob die Menschen im Grenfell-Tower sterben mussten, weil im sozialen Wohnungsbau ein niedrigerer Sicherheitsstandard erlaubt wurde, ob die Gebäudesicherheit gar ausschließlich monetären Interessen unterlag und ob die private Handlungsfreiheit den gesellschaftlichen Sicherheitsanspruch bestimmen darf.
Nein, das darf sie nicht, sagen die Prüfingenieure für Bautechnik in Deutschland.
Die Sicherheit von Bauwerken ist ein gesellschaftliches Grundrecht und eine staatliche Verpflichtung - sie ist weder verhandelbar noch ist sie teilbar. Einzelne von dieser Sicherheit auszuschließen widerspricht dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundprinzip gemeinschaftlichen Zusammenlebens und kündigt damit den für eine gedeihliche Entwicklung der Gesellschaft so wichtigen Grundkonsens der unantastbaren Würde des Menschen auf.
Sicherheitsberechtigt sind alle oder keiner.
Der Preis für diese Sicherheit muss ohne Wenn und Aber von der Allgemeinheit getragen werden. Alle erhalten den gleichen Anteil an Sicherheit. Das geht aber nur, wenn die Sicherheit von Bauwerken nicht durch den am Markt zu erzielenden billigsten Preis geregelt wird.
Der im freien Markt zu erzielende Preis resultiert aus Angebot und Nachfrage. Im sozialen Wohnungsbau wird der Kostendruck oftmals so hoch, dass die nicht an Äußerlichkeiten erkennbare Sicherheit des Bauwerks zum verhandelbaren Gut wird. Unverantwortliche Sicherheitsdefizite sind dabei zwangsläufig die Folge.
Wenn die Sicherheit von Bauwerken unter diesen wirtschaftlich dominierten Randbedingungen dem subjektiven Risikoempfinden der handelnden Personen und den monetären Möglichkeiten des Einzelnen überlassen bleibt, entstehen zwangsläufig Sicherheitsklassen. Da die Sicherheit von Bauwerken aber digitalen Charakter hat – entweder es gibt sie oder es gibt sie nicht – kann sie nicht wirtschaftlichen Optimierungsstrategien unterworfen werden.
Die Prüfingenieure für Bautechnik fordern, dass die Sicherheit von Bauwerken und der Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum einer präventiven, staatlichen Kontrolle und wirtschaftlich unabhängigen technischen Prüfung unterliegen!
Die Sicherheit von Bauwerken umfasst im eigentlichen Kern die Standsicherheit und den vorbeugenden Brandschutz. Die Sicherheit von Bauwerken beginnt mit der unabhängigen, auf dem Vier-Augen-Prinzip basierenden Prüfung der Planung und sie endet mit der unabhängigen, auf dem Vier-Augen-Prinzip basierenden Überwachung der Bauausführung.
Die Prüfingenieure für Bautechnik fordern deshalb, die Sicherheit der Bauwerke wieder in den Vordergrund zu stellen, marktpolitischen Lobbyismus einzudämmen und monetär inspiriertem Handeln in Fragen der Produktsicherheit eine eindeutige Absage zu erteilen.
Nur so kann dem Anspruch der modernen Gesellschaft nach jederzeit und unter allen Umständen sicheren Bauwerken genügt werden.
Informationen: Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V., Kurfürstenstrasse 129, 10785 Berlin, Tel. 030-3198 914-0, Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann